Der unbemerkte Tod des Alexander Pühringer
Vor fünf Monaten, Ende Juli 2014, starb Alexander Pühringer, Herausgeber mehrerer Kunstzeitschriften, ziemlich unbemerkt in Berlin, wo er die letzten Jahre gelebt hatte. Vor vier Monaten, Ende August 2014, merkte Rainer Metzger auf artmagazine.cc an, dass der Kunstbetrieb nicht auf den Tod Pühringers reagiert hatte – und das sei “nichts anderes als beschämend”.
Ich weiß nicht, ob beschämend das richtige Wort ist. Wie soll man denn reagieren, wenn man von den Hinterbliebenen nicht informiert wird? Beziehungsweise: Wie kann es überhaupt passieren, dass der Tod eines jahrzehntelangen Mitstreiters derart unbemerkt bleibt – in einer Zeit, in der man die Freunde alltäglich über die größten Nebensächlichkeiten in Kenntnis setzt?
Auf Metzgers Nachruf wurde ich erst vor wenigen Tagen aufmerksam gemacht. Diesem ist kaum etwas hinzuzufügen. Metzger schreibt: “Die Hartnäckigkeit, mit der er Projekte beschwor und sie zum Erstaunen aller dann bisweilen auch realisierte, machte ihn zu einem wichtigen Akteur.”
Alexander Pühringer, geboren 1961 in Wels, studierte in Salzburg Musikwissenschaft und Germanistik. 1984 gründete er zusammen mit dem Philosophen Otto Neumeier das “Norma Art Journal”, eine lange Zeit in Österreich einzigartige Zeitschrift für Kunst- und Diskurs. “Noema” zu finanzieren war ein mühsames Unterfangen, dennoch konnten bis zum Konkurs 1999 insgesamt 52 Hefte erscheinen.
Pühringer startete im Jahr 2000 mit „Frame“ neu durch. Er achtete darauf, die alten Fehler nicht zu wiederholen: Er brachte Künstlereditionen heraus, mit deren Erlösen die Zeitschrift finanziert werden sollten. Am Höhepunkt eröffnete Pühringer sogar eine Art Galerie neben dem Semperdepot in Wien. Dort wurde im Sommer 2007 die umfangreichste und wohl wichtigste Ausgabe von “Frame” präsentiert: “Servus Austria”, herausgegeben von Pühringer und Markus Mittringer, gab auf 480 Seiten einen Überblick über die österreichische Kunstszene.
Schon in den Jahren zuvor war “Frame” aufgrund von Geldmangel eher unregelmäßig erschienen. Mit “Servus Austria” verkalkulierte sich Pühringer, der Enthusiast, leider völlig: Das nächste Heft, die Nummer 21, blieb das letzte. Pühringer, hoch verschuldet, tauchte unter – und irgendwann in Berlin wieder auf. Sein neues Projekt nannte sich „Untitled“, doch auch dieser Zeitschrift war im Endeffekt nicht der erhoffte Erfolg beschieden.
Pühringer machte sich viele Feinde, aber er ließ sich nie unterkriegen. Zuletzt sah ich ihn durch Zufall am 13. Februar 2013 nächtens in Madrid. Wir tranken ein Glas Wein im Stehen, plauderten, Alexander hatte wieder große Pläne. Dass sich diese nicht realisieren lassen würden: Ich glaube, das wusste er damals schon. Aber er ließ sich nichts anmerken. Er kämpfte bis zum Schluss.
Copyright: Thomas Trenkler 2014
Das analog aufgenommene Foto stammt aus dem Sommer 2007: Alexander Pühringer präsentiert die “Frame”-Ausgabe “Servus Austria”.