Jugendliteraturpreis: Der Tod trägt Nike
Wien – Zum dritten Mal organisierte der Schweizer, schon seit Jahrzehnten in Wien lebende Schriftsteller Christoph Braendle den Wiener Jugendliteraturpreis. Teilnahmeberechtigt waren Wiener Schülerinnen und Schüler im Alter von 14 bis 20 Jahren, doch niemand wurde ausgeschlossen; ins Finale schafften es auch drei Beiträge aus den Bundesländern. Erneut bestätigte sich: Die Literatur ist weiblich. Denn 20 der 24 Finalisten waren Mädchen.
Beim Galafinale am Donnertag im Kasino Schwarzenbergplatz lasen fünf Schauspieler (Andrea Clausen, Dorothee Hartinger, Sona MacDonald und Roland Koch, der auch durch den Abend führte) Auszüge aus den Texten, die durch die Bank ein erstaunliches Niveau hatten. Und nach der Pause wurde die Entscheidung der Jury bekanntgegeben: Der erste Preis ging an Melina Weger (GRG 17 Parhamerplatz) für ihre berührende Erzählung “Der Malkasten”.
Das diesjährige Thema lautete “Jeder ist anders anders”. So ging es um Identifikation und Rollenzuweisung, um das Anderssein-Müssen und Anderssein-Wollen. Auch die Liebe war Thema – etwa im sprachlich herausragenden Text “john lennon” der Zweitplatzierten Margareta Stern.
Doch die zentrale Rolle spielte in den meisten Texten der Tod. Sophia Schmidt zum Beispiel erzählte von einem wohl jüdischen Mädchen aus Deutschland, das in der NS-Zeit nach England fliehen konnte, während ihre Eltern ums Leben kamen. Trauerarbeit wurde immer wieder geleistet: Die Ich-Erzähler versuchen mit dem Tod von Familienmitgliedern fertig zu werden. Dies trifft auch für den Text “Malkasten” zu: Die Ich-Erzählerin, Vollwaise seit dem Kindergartenalter, malt ein beklemmendes, tränenreiches Bild ihrer Gedanken.
Wohltuend waren die wenigen humorvollen Beiträge, die dem Abend ein wenig die Schwere nahmen. In “Am Scheideweg” von Oliver Wittich trägt der Tod zu seinem altbekannten Outfit grelle Nike-Schuhe.
Die Texte der Finalisten können auf der Homepage des Wiener Jugendliteraturpreises nachgelesen werden. Auf dem Foto sieht man die junge Girlgroup “the 4tune”, die zum ersten Mal öffentlich auftrat – und darüber das Werbeplakat für den Wiener Jugendliteraturpreis. Das zweite Mädchen von links ist die Siegerin Melina Weger. Aufgenommen wurde das Foto bei einem der vielen Workshops, die im Zuge des Literaturpreises stattfanden.